Joachim Griess: “RÉSUMÉ. New York – Berlin – Aachen. Arbeiten der letzten 20 Jahre”

Konkrete Kunst, keine abstrakte, weil nichts konkreter, nichts wirklicher ist, als eine Linie, eine Farbe, eine Fläche.
— Theo van Doesburg, Künstler

“Black Box I”, Graphit auf Papier, Berlin 2007

Die Ausstellung präsentiert Konkrete Kunst von Joachim Griess, darunter Arbeiten auf Papier und Holzreliefs. Ausgewählte Arbeiten der letzten 20 Jahre werden aktuellen Werken aus diesem Jahr gegenübergestellt, zum Teil neu aufgearbeitet und kontextualisiert. In solcher Auseinandersetzung mit dem eigenen Werk wird dessen Prozesshaftigkeit und Entwicklung anschaulich und eben ein erstes “Résumé” gezogen.

Lesen Sie hier den Artikel zur Ausstellung von Ingrid Peinhardt-Franke: “Konkrete Kunst bekennt Farbe” (Aachener Nachrichten, 22.04.2020) und begeben Sie sich zum Einstieg auf einen Videorundgang mit Dirk Tölke:


Weiter geht es mit Texten und Assoziationen von Dirk Tölke:

Strichsaat – Zur Ausstellung „Résumé“ von Joachim Griess im LOGOI

Distanz und Nähe finden zur Zeit erhöhte Aufmerksamkeit. Dabei geht es nicht primär um Grenzen, sondern um Abstände. Das gilt auch für ästhetische Konzepte. Dort haben die Abstände mit Proportionen zu tun, ganz klassisch mit dem Verhältnis der Körperteile zueinander, die ein Ideal anstreben, oder grundsätzlicher mit dem Verhältnis von Flächen und Linien. Ganz konkret befasst sich damit die Richtung der Konkreten Kunst, die nicht die Natur abbildet, nachahmt oder vereinfacht und abstrahiert, sondern mit unabhängigen Modulelementen oder Farben einen eigenen Kosmos von Formen und Strukturen erfindet, der seinen ästhetischen Reiz aus der Verhältnishaftigkeit der Elemente und der Oberflächenwirkung dieser subtil ausgewogenen oder kontrastgesteuerten Gefüge gewinnt.

ohne Titel, Kugelschreiber auf Pappe, 8 Motive, Aachen 2019

Von der Farbe der Wandfläche über die Wahl des Formats, die Dimension des Rahmens, die Breite eines Passepartouts und die Betonung der Blattränder sind schon Entscheidungen folgenreich, bevor ein Strich auf die Leinwand gesetzt wird. Gleichwohl geht nach der Festlegung der Bildfläche die Entwicklung der Arbeit von Grundentscheidungen aus, die zu einer Vielzahl von Werken führen können, wie sie gerade im Logoi ausgestellt werden.

ohne Titel, Ölpastell & Tusche auf Papier, Aachen 2020

ohne Titel, Graphit & Ölpastell auf Papier, Berlin 2009

Mit sanfter Präzision zieht Joachim Griess darauf einzig und allein Linien und erzeugt mit Überlagerung und teils farblicher Verdichtung Rasterstrukturen, die anfangs stark von Quadratformen und später von Rechtecken geprägt wurden. In der Setzung dieser Linien, die nur parallel oder rechtwinkelig überkreuzend zueinander liegen, bilden sich für ihn Themen heraus. Das Format, die Entscheidung schwarz-weiß oder farbig, die Wahl des Papiers, des Holzes oder Steins, das Material Bleistift, Kugelschreiber, Beize oder Ölpastell oder die Linienführung mit oder ohne Lineal bzw. mit einfachem oder mehrfach überlagertem Strich gehören dazu. Dann folgt die Rasterstruktur, die Abstände und Proportionen der Linien zueinander, die Dichtigkeit der Linien. Die Strichdicke kann gleichmäßig sein, variieren, eine Blatthälfte unabhängig weiterentwickelt werden, bzw. bei einer blockhaften Aufteilung ein Wechselspiel der Nuancen betont werden. Was so banal und nüchtern klingt, bekommt in jedem Blatt des Künstlers einen neuen Klang, der langsam entwickelt und keineswegs langweilig wird. Gestalterisch sind die Arbeiten durch sauberes Abkleben einzelner Felder mit konzentrierter Sorgfalt erzeugt. Der Vorteil für den Künstler, der ausgebildeter Steinbildhauer mit Denkmalpflegeaufträgen und diplomierter Künstler mit Ausbildung in Maastricht und an der HBK Berlin ist, besteht darin, die ohne Impulsivität auskommende Arbeit jederzeit unterbrechen und wieder aufnehmen zu können. Mit handwerklicher Präzision und hoher Konzentration kommen saubere Bildfelder zustande, die meditativ wirken und auch sorgfältig aufeinander abgestimmt sind, weil sie in einem langsamen Prozess entstehen, der in Maßen von Hell nach Dunkel, aber nicht umgekehrt, steuerbar ist und das Ziel einer harmonisch sensibilisierenden Wachheit verfolgt. Obwohl auch sehr linealgerade Linien auftreten, ist das meiste händisch erwirkt und von der Saugkraft des Papiers im Verlauf individualisiert.

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