»Quand partons-nous vers le bonheur?«
(»Wann brechen wir auf zum Glück?«) – Charles Baudelaire
Georg Wilhelm Friedrich Hegel verglich den Aufbruch in die Neuzeit mit einem »herrlichen Sonnenaufgang« und sah ihn mit optimistischem Ausblick. Er schrieb:
»Das Bild besserer, gerechterer Zeiten ist lebhaft in die Seele der Menschen gekommen, und eine Sehnsucht, ein Seufzen nach einem reineren, freieren Zustand hat alle Gemüter bewegt und mit der Wirklichkeit entzweit.«
Seit Hegels Tagen erleben wir jedoch eher Ernüchterung – ja, Erschütterung. Eine explosive Erweiterung des technischen Vermögens, Massenkulturen und Effizienzsteigerungen führen zunehmend zu Entfremdung. Die Lebensbezüge und Erlebnisformen der Menschen wirken mehr und mehr entfremdet und von der Realität entkoppelt.
Wie Ludwig Wittgenstein prägnant festhielt:
»Dass selbst, wenn alle möglichen wissenschaftlichen Fragen beantwortet sind, unsere Lebensprobleme noch gar nicht berührt sind.«
Und vor allem:
»Die Menschen bezahlen die Vermehrung ihrer Macht mit der Entfremdung von dem, worüber sie Macht ausüben.« – Theodor W. Adorno
Es scheint, als irren die vereinzelten Subjekte in kafkaesk sich entfaltenden Räumen hilflos umher, auf der Suche nach einem Glück – oder seinen Surrogaten –, dessen Koordinaten sich immer mehr auflösen. An dieser Stelle könnte die Philosophie gefragt sein, denn sie gibt den Geist nicht auf, wie Adorno schreibt, »weil er den Augenblick seiner Verwirklichung bisher versäumt hat.«
Aber welche Art der Verwirklichung ist gemeint? In den Minima Moralia, um die es in unserer Veranstaltung geht, schließt Adorno seine »Reflexionen aus dem beschädigten Leben« mit folgenden Worten:
»Philosophie, wie sie im Angesicht der Verzweiflung einzig noch zu verantworten ist, wäre der Versuch, alle Dinge so zu betrachten, wie sie vom Standpunkt der Erlösung aus sich darstellten. Erkenntnis hat kein Licht, als das von der Erlösung her auf die Welt scheint … Ohne Willkür und Gewalt, ganz aus der Fühlung mit den Gegenständen heraus solche Perspektiven zu gewinnen, darauf allein kommt es dem Denken an.« – Theodor W. Adorno, Minima Moralia, Aphorismus 153.
Dieter Hans, geb.1952 in Aachen, unterrichtete neben seiner literarischen Arbeit Englisch und Geschichte an Gymnasien. Er veröffentlicht überwiegend Reise-Essays und Gedichte.
Jürgen Kippenhan geboren in Heidelberg, Studium der Philosophie und der Sozialwissenschaften, Lehrbeauftragter am Philosophischen Institut der RWTH Aachen, Gründer von LOGOI, Institut für Philosophie und Diskurs, Aachen. Zuletzt erschien seine Abhandlung über die »Künstliche Intelligenz und die Sinnstruktur menschlichen Handelns« bei Nomos.