Im Rahmen der Ausstellung von Roland Mertens »Den Anstiftern zu stetigem Wohlstand« Aufforderung zu gesellschaftskritischem Diskurs findet ein vom Künstler selbst kuratiertes Rahmenprogramm statt.
Am 22.03. spricht Ernst-Dieter Lantermann über »Die Diskreditierung der Vernunft in einer Gesellschaft ohne Halt«
Die über Jahrhunderte eingeübte kalkulierende Rationalitäts-Modalität unserer Vernunft hat – aus guten und schlechten Gründen - in der Gegenwart erheblich an Attraktivität eingebüßt, das authentische Gefühl dagegen ist zur exklusiven Quelle von Wissen, Entscheidungen, Rechtfertigungen und moralischen Selbstgewissheiten erhoben worden. Die Balance von Vernunft und Gefühl ist offensichtlich in eine gefährliche Schieflage geraten.
Diese Prominenz des Fühlens als letzte Instanz der „Wahrheit“ gegenüber einer hoch komplexen Welt bedarf keiner anstrengenden (selbst-) kritischen Reflexion. In Diskursen ersetzen moralische Überheblichkeiten vernunftgeleitete Argumente, wie am Beispiel der Debatte über die Antisemitismus-Vorwürfe gegen die Documenta 15 gezeigt werden soll. Aber auch entschlossene Kämpfer etwa gegen kulturelle Aneignung, der „Cancel Culture“, der Identitätspolitik oder auch manche Aktivisten der "Letzten Generation" strotzen vor moralischer Überlegenheit, selten jedoch mit fundiertem Wissen. Ihren Opponenten ergeht es allerdings in aller Regel nicht anders. Auch von diesen Varianten einer emotionalen, vernunftvergessenen Selbstvergewisserung und Selbstbehauptung wird die Rede sein.
Ernst-Dieter Lantermann, geboren 1945 in Oberhausen, ist Psychologe und emeritierter Professor für Persönlichkeits- und Sozialpsychologie an der Universität Kassel. Seine Gastprofessuren führten ihn nach Leipzig, Mannheim, Bern und Potsdam.
Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.