Die aktuellen Formen von Gegenaufklärung (Anti-Intellektualismus, „Alternative Fakten“, Nationalismus und vieles mehr) lassen sich auf eigentlich konstruktiv gemeinte Formen der Aufklärungskritik im XX. Jahrhundert zurückführen. Als solche präsentiert der Vortrag die Thesen, es gebe eine „Perversion der Aufklärung“ (Horkheimer / Adorno, Sloterdijk. Foucauld); die Aufklärung überfordere die Menschen (Gehlen, Münsteraner Schule, Toulmin); und die postmoderne Auffassung, die Aufklärung sei ihrerseits nur eine neue Form mythologischen Denkens. Auf der Basis einer kritischen Auseinandersetzung mit diesen Thesen soll die Frage nach den Möglichkeiten einer Re-Vitalisierung des „Projekts Aufklärung“ gestellt werden.
Rudolf Lüthe, geb. 1948, ist Universitätsprofessor für Philosophie an der RWTH Aachen. Vorher war er von 1996 bis 2015 Professor an der Universität Koblenz. Zu seinen philosophischen (und literarischen) Veröffentlichungen gehören: New Criticism und idealistische Kunstphilosophie (1975), Wissenschaftliche Methode und historische Bedeutung (1987), David Hume. Historiker und Philosoph (1991), Der Ernst der Ironie (2002), Störfälle. Geschichten (2010), Absurder Lebensstolz. Postmoderne Auseinandersetzungen mit der Philosophie Albert Camus’ (2012) und Heitere Aufklärung (2017).
Zur Reihe:
Das Projekt der Aufklärung war von der Idee getragen, die Lebenswelt der Menschen zu verbessern, ihnen Freiheiten zu verschaffen und sie sich politisch und moralisch durch die eigene Vernunft bestimmen zu lassen. Vor allem sollten die Menschen einen umfassenden Rechtsschutz erhalten und ihnen somit ein sicheres und unabhängigeres Leben ermöglicht werden. Mit Kant zu sprechen: Die Menschen sollten ihre selbstverschuldete Unmündigkeit überwinden. – Warum also sollte man ein solches Projekt in Gänze zurückweisen, wie es die gegenaufklärerischen Bestrebungen beabsichtigen? Weshalb gibt es gerade in der Philosophie gegenaufklärerische Positionen, und welche Argumente führen sie an?
Unsere Reihe zielt darauf, den Weg nachzuzeichnen, den die Aufklärung ging und dabei wesentliche Positionen der Gegenaufklärung kenntlich zu machen und kritisch zu diskutieren.