Wie in Stein gemeißelt der Satz, den Theodor W. Adorno und Max Horkheimer an den Anfang ihrer ‚Dialektik der Aufklärung‘ stellen: „Seit je hat Aufklärung im umfassendsten Sinne fortschreitenden Denkens das Ziel verfolgt, von den Menschen die Furcht zu nehmen und sie als Herren einzusetzen. Aber die vollends aufgeklärte Erde erstrahlt im Zeichen triumphalen Unheils. Das Programm der Aufklärung war die Entzauberung der Welt. Sie wollte die Mythen auflösen und Einbildung durch Wissen stürzen.“ In diesem Sinne verbinden sich die Ansprüche der Aufklärung eng mit jener Ausrichtung auf Rationalität, die zum Kerngehalt der europäischen Moderne wurde. Kurz dazu: Die Inthronisierung der Rationalität in allen menschlichen Angelegenheiten gilt als Ergebnis jener geistigen Veränderung in der Mitte des 17. Jahrhunderts, als deren Hauptvertreter Galilei in der Physik und Astronomie und René Descartes in der Mathematik und Erkenntnistheorie galten. Noch zu ergänzen durch Isaac Newtons Principia aus dem Jahr 1687.
Die Frage wird sein, ob sich in dieser Ausrichtung nicht schon eine gegenaufklärerische Vereinseitigung durchsetzt, die Hegel als Entzweiung von Natur und Geist, Sinnlichkeit und Verstand wie auch Rationalität und Vernunft beklagt. In Anlehnung an den amerikanischen Philosophen Stephen Toulmin soll der Frage nachgegangen werden, ob die im 17. Jahrhundert vollzogenen Weichenstellungen zugunsten einer kalkulierenden Rationalität nicht gerade jene aufklärerischen Potenziale verschütten, die in der Renaissance erste Gestalt annahmen.
Jürgen Kippenhan hat in Bochum, Bonn und Aachen Philosophie und Sozialwissenschaften studiert. Promotion in Aachen über die Möglichkeit künstlicher Intelligenz. Zunächst Hochschulassistent in Aachen, dann Gastdozent an brasilianischer Universität, nun Lehrauftrag am philosophischen Institut der RWTH Aachen. 2009 Gründung von LOGOI.
Zur Reihe:
Das Projekt der Aufklärung war von der Idee getragen, die Lebenswelt der Menschen zu verbessern, ihnen Freiheiten zu verschaffen und sie sich politisch und moralisch durch die eigene Vernunft bestimmen zu lassen. Vor allem sollten die Menschen einen umfassenden Rechtsschutz erhalten und ihnen somit ein sicheres und unabhängigeres Leben ermöglicht werden. Mit Kant zu sprechen: Die Menschen sollten ihre selbstverschuldete Unmündigkeit überwinden. – Warum also sollte man ein solches Projekt in Gänze zurückweisen, wie es die gegenaufklärerischen Bestrebungen beabsichtigen? Weshalb gibt es gerade in der Philosophie gegenaufklärerische Positionen, und welche Argumente führen sie an?
Unsere Reihe zielt darauf, den Weg nachzuzeichnen, den die Aufklärung ging und dabei wesentliche Positionen der Gegenaufklärung kenntlich zu machen und kritisch zu diskutieren.